Arbeitsrecht

Probezeit im Ausbildungsvertrag nach Vorbeschäftigung

Viele Arbeitgeber nutzen heute die Möglichkeit, einen Auszubildenden vor Abschluss des Ausbildungsvertrages im Rahmen einer Aushilfstätigkeit oder eines Praktikums kennenzulernen. Daraus ergibt sich bei Abschluss des Ausbildungsvertrages die Frage, ob dort eine erneute Probezeit vereinbart werden darf.

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits 2004 entschieden, dass eine Probezeit von drei Monaten den Auszubildenden nicht unangemessen benachteiligt, auch wenn sich Auszubildender und Betrieb bereits vorher kannten (Az. 6 AZR 127/04). Gemäß § 20 Berufsbildungsgesetz kann eine Probezeit von einem bis vier Monaten vereinbart werden. Solange die vertragliche Regelung zur Probezeit von dieser Vorgabe nicht abweicht, ist sie rechtmäßig, auch bei einer Vorbeschäftigung des Auszubildenden im Betrieb.

Das Bundesarbeitsgericht führte dazu aus, dass die Probezeitregelung sicherstellen soll, dass der Ausbildende den Auszubildenden dahingehend überprüfen kann, ob dieser für den zu erlernenden Beruf geeignet ist und sich in das betriebliche Geschehen mit seinen Lernpflichten einordnen kann. Nach der Probezeit kann der Ausbildende das Berufsausbildungsverhältnis nämlich nur noch aus einem wichtigen Grund kündigen. Andererseits – so das Gericht - muss die Prüfung, ob der gewählte Beruf seinen Vorstellungen und Anlagen entspricht, auch dem Auszubildenden möglich sein. Diese Prüfungspflicht beider Parteien entfällt nicht auf Grund einer Vorbeschäftigung des Auszubildenden in einem Arbeitsverhältnis. Berufsausbildung und Arbeitsleistung sind nicht gleichzusetzen. Denn während ein Arbeitnehmer nach § 611 Abs. 1 BGB die Leistung der versprochenen Dienste gegen Zahlung eines Entgelts schuldet, hat ein Auszubildender sich zu bemühen, die erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, die erforderlich sind, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Verrichtungen hat er nur im Rahmen des Ausbildungszwecks auszuführen.

Diese Erwägungen zur gegenseitigen Erprobung lassen sich wohl auch auf die Situation übertragen, dass ein Arbeitnehmer im Rahmen einer Zweitausbildung oder Fortbildung nochmals einen Ausbildungsvertrag mit seinem Arbeitgeber abschließt, der dann ebenfalls eine Probezeit enthalten darf.

Vorsicht ist aber in einem ähnlichen Fall geboten, nämlich dem Abschluss eines befristeten Vertrages mit dem Zweck der Erprobung des Arbeitnehmers. Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil v. 30.6.2017, 4 Sa 939/16) hatte über einen Fall entschieden, in dem der Arbeitnehmer seit September 2014 als Leiter "Mechanische Fertigung" sowie als "Leiter Produktionsprozesse/Lean-Management" bei der Beklagten beschäftigt war. Es war eine 6-monatige Probezeit vereinbart, danach sollte eine unbefristete Beschäftigung folgen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbarten später eine nachträgliche Befristung des Arbeitsverhältnisses bis Ende September 2015. Drei Monate vor Ende der Befristung teilte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit, dass das Arbeitsverhältnis wie vereinbart zum 30.9.2015 enden wird, weil keine Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung bestünde. Dagegen erhob der Arbeitnehmer Klage.

Die Klage war erfolgreich. Das Landesarbeitsgericht Köln hat entschieden, dass die nachträglich vereinbarte Befristung des bis dahin unbefristeten Arbeitsverhältnisses rechtsunwirksam ist, denn die Befristung war nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Das Gericht erläuterte, dass der Sachgrund der Erprobung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) nicht angenommen werden darf, wenn der Arbeitgeber bereits ausreichend Zeit hatte, die Fähigkeiten des Arbeitnehmers zu beurteilen. Es gilt daher, dass ein vorheriges befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis, bei dem der Arbeitnehmer mit ähnlichen Arbeitsaufgaben betraut war, den Befristungsgrund „Erprobung“ sperrt. Nach der Wertung des Gesetzgebers ist eine 6-monatige Erprobungszeit in der Regel ausreichend. Eine Nichtbeachtung durch den Arbeitgeber führt dazu, dass hier ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden ist.

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Urlaubsanspruch während der Elternzeit

Viele Arbeitnehmer nehmen Elternzeit in unterschiedlicher Länge. Der gesetzliche Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz besteht grundsätzlich auch für diesen Zeitraum der Elternzeit, er kann jedoch vom Arbeitgeber nach dem BEEG (Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit) gekürzt werden.

Das Bundesarbeitsgericht hat unter dem Aktenzeichen 9 AZR 362/18 hierzu kürzlich einen Fall entschieden. Die Klägerin war war seit einigen Jahren bei ihrem beklagten Arbeitgeber beschäftigt und nahm Elternzeit von mehr als zwei Jahren in Anspruch. Nachdem die Klägerin das Arbeitsverhältnis nach Rückkehr aus der Elternzeit gekündigt hatte, wollte sie unter Einbeziehung ihres Urlaubsanspruchs aus der Elternzeit von ihrem Arbeitgeber Urlaub gewährt haben. Der Arbeitgeber verneinte jedoch, dass in der Elternzeit Urlaubsansprüche entstanden seien. Mit der Klage wollte die Klägerin nunmehr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung ihres behaupteten Urlaubsanspruchs erreichen.

Tatsächlich entsteht zunächst ein Anspruch auf Urlaub auch für die Elternzeit. Wenn der Arbeitnehmer aus der Elternzeit zurückkehrt, kann er Erholungsurlaub verlangen, der sich nicht automatisch wegen der Elternzeit verringert. Will der Arbeitgeber verhindern, dass der Arbeitnehmer in der Elternzeit Urlaubsansprüche erwirbt, muss er dies ausdrücklich dem Arbeitnehmer gegenüber erklären. § 17 Abs. 1 BEEG sieht vor, dass der Arbeitgeber in der Elternzeit die Urlaubsansprüche seines Arbeitnehmers um ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit kürzen kann. Hierzu hat auch der Europäischen Gerichtshof entschieden, dass die Kürzung der Urlaubsansprüche zulässig ist und es sich um keine ungerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber anderen Arbeitnehmern handelt, da in der Elternzeit eben auch keine Arbeitsleistung erbracht wurde.

Erforderlich ist, dass der Arbeitgeber hierzu eine Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer abgibt. Geht dem Arbeitnehmer eine solche Erklärung allerdings nicht zu, kann er seine Urlaubsansprüche unter Einbeziehung der Elternzeit berechnen und in voller Höhe geltend machen.

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Karneval im Arbeitszeugnis

Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses streiten die Parteien des Öfteren noch um die Formulierungen im Zeugnis. Das Arbeitsgericht Köln musste über einen Fall entscheiden, bei dem eine Servicekraft geklagt hat, weil sie mit dem Inhalt ihres Zeugnisses nicht einverstanden war. Sie wollte u.a. bestätigt haben, dass sie während der Karnevalszeit gearbeitet hatte. Tatsächlich war sie in 2017 am Freitag und Samstag nach Weiberfastnacht tätig. Der Arbeitgeber verweigerte eine entsprechende Formulierung im Zeugnis mit der Begründung, diese Tage lägen nicht in der Karnevalszeit.

Das Arbeitsgericht Köln entschied, dass als "Karnevalszeit" (zumindest in Köln) die Zeit von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch gilt und die Klägerin auch einen Anspruch darauf hat, dass ihre Tätigkeit in dieser Zeit im Zeugnis erwähnt wird. Anders als der Begriff der "Karnevalstage", die sich nur auf Weiberfastnacht, Rosenmontag sowie Aschermittwoch beziehen könnten, lasse sich die "Karnevalszeit" als die gesamte Zeit auffassen, in der Karneval gefeiert wird, also die Zeit von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch. Da im Rheinland die Arbeitsbelastung in der Gastronomie in der Karnevalszeit ebenfalls gerichtsbekannt besonders hoch sei, hätten Arbeitnehmer aus der Gastronomie auch ein berechtigtes Interesse daran, dass die Arbeit in dieser Karnevalszeit im Zeugnis besonders erwähnt wird.

Bei der Formulierung des Zeugnisses muss der Arbeitgeber die Tätigkeit und Kompetenzen des Arbeitnehmers, sowie die Tätigkeitsdauer zutreffend beschreiben. Sodann ist eine Beurteilung über Leistungen zu verfassen. Dabei müssen Formulierungen gewählt werden, die ein „verständiger und wohlwollender“ Arbeitgeber aussuchen würde. Zudem sind bestimmte Formalien zu beachten, z.B, muss das Zeugnis sich auf dem Briefpapier des Unternehmens befinden und zum Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses ausgestellt werden. Der Beendigungsgrund ist zu nennen.

Wenn Arbeitnehmer sich bewerben wollen oder im Unternehmen sich die Arbeitsbedingungen verändern, können das Gründe sein, ein Zwischenzeugnis zu verlangen. Dieses hat im Wesentlichen denselben Inhalt wie ein Beendigungszeugnis, nennt aber statt dem Beendigungsgrund hier den Grund für die Ausstellung des Zwischenzeugnisses.

Bei Zweifeln über die Korrektheit des ausgestellten Zeugnisses empfiehlt es sich stets, die für einen Laien ungewöhnliche Zeugnissprache von einem Rechtsanwalt überprüfen zu lassen.

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Mit Erteilung einer Abmahnung verzichtet Arbeitgeber auf sein Kündigungsrecht

Wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer wegen einer Pflichtverletzung abmahnt, verzichtet er gleichzeitig auf das Recht, diesen Arbeitnehmer wegen desselben Vorfalls zu kündigen. Dies gilt selbst dann, wenn die Abmahnung innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) erklärt wurde. Denn das Kündigungsschutzgesetz ist erst zugunsten eines Arbeitnehmers anwendbar, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung länger als 6 Monate besteht. Für die Frage des Verbrauchs einer Abmahnung macht die Rechtsprechung von dieser zeitlichen Einschränkung eine Ausnahme.

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mehrfach geurteilt, dass die ausgesprochene Kündigung unzulässig ist, weil diese Möglichkeit wegen der zuvor ausgesprochenen Abmahnung quasi „verbraucht“ ist. Mahnt der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer wegen einer Pflichtverletzung ab, verzichtet er damit zugleich auf das Recht zur Kündigung. Der Arbeitgeber erklärt nämlich mit der Abmahnung, dass er das abgemahnte Verhalten missbilligt, das Arbeitsverhältnis aber nicht als derart gestört ansieht, dass eine Kündigung erforderlich wäre.

Wenn der Arbeitgeber kündigen will, muss er beweisen, dass der der Kündigung zugrunde liegende Vorfall nicht identisch mit dem Abmahnvorgang ist. Denn das Arbeitsgericht hat zur sogenannten Beweislast ausgeführt: Kündigt der Arbeitgeber in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Abmahnung, begründet dies die Vermutung, dass er die Kündigung wegen des abgemahnten Verhaltens ausgesprochen hat. Der Arbeitgeber kann aber bei einer Kündigung unterstützend auf die Abmahnung zurückgreifen, wenn weitere kündigungserhebliche Umstände eintreten oder ihm erst nach erfolgter Abmahnung bekannt werden.

Vorsicht ist allerdings für den Arbeitnehmer geboten, wenn derselbe Vorwurf (z.B. Zuspätkommen bei Arbeitsbeginn) mehrmals berechtigt ist. Wenn eine gleichartige Pflichtverletzung wiederholt auftritt, ist der Arbeitgeber berechtigt, zu kündigen. Vom Arbeitnehmer wird verlangt, dass er sich ab Kenntnis der Abmahnung sofort vertragsgerecht verhält, es sei denn er benötigt zur Behebung von Leistungsmängeln eine gewisse Zeit (z.B. Durchführung einer Schulungsmaßnahme).

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Arbeitsrecht: Reisezeit von Dienstreisen ist zu vergüten

Das Bundesarbeitsgericht hat im Oktober 2018 entschieden (Az. 5 AZR 553/17), dass bei einer Auslandsentsendung des Arbeitnehmers die Reisezeiten zu vergüten sind.

Im betreffenden Fall war der Kläger technischer Mitarbeiter bei einer Baufirma und musste laut Arbeitsvertrag auf wechselnden Baustellen arbeiten. 2015 wurde er für ca. 10 Wochen auf eine Baustelle nach China entsandt. Der Arbeitnehmer reiste hierfür 2 Tage hin und 2 Tage zurück, mit Zwischenstopp in Dubai. Für die vier Reisetage vergütete der Arbeitgeber pro Tag 8 Stunden. Der Kläger verlangte Vergütung für weitere 37 Stunden, also die vollständige Reisezeit von seiner Wohnung bis zur Arbeitsstelle in China.

Das Bundesarbeitsgericht stellte in seinem Urteil klar, dass die Reise zur auswärtigen Arbeitsstelle ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgt und daher auch wie Arbeit zu vergüten ist. Zu vergüten ist allerdings nur die tatsächlich erforderliche Reisezeit (per Direktflug). Da das Bundesarbeitsgericht wegen des Zwischenstopps in Dubai die tatsächliche Reisezeit nicht feststellen konnte, wurde der Rechtsstreit zur endgültigen Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Nach diesem Urteil steht allerdings fest, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf die Vergütung der kompletten Reisezeit für den direkten Weg hat.

Arbeitgeber, deren Arbeitnehmer viel reisen, müssen aufgrund des Urteils Kostensteigerungen beim Lohn hinnehmen. Arbeitnehmer hingegen haben nun Anspruch auf bessere Bezahlung von Dienstreisen oder mehr Freizeitausgleich. Ob sich das Urteil auch auf den Arbeitsschutz auswirkt und es zu einer neuen Bewertung von Dienstreisen aus Sicht der maximal zulässigen Arbeitszeit kommt, bleibt abzuwarten.

Für Arbeitnehmer ist in diesem Zusammenhang aber noch etwas anderes wichtig: Bonusmeilen oder -punkte, die im Rahmen eines Fluges oder eines Leihwagenvertrages während der Dienstreise erworben werden, stehen dem Arbeitgeber zu. Der Arbeitgeber kann daher verlangen, dass diese ausschließlich zu seinen Gunsten bei weiteren Dienstreisen einzusetzen sind!

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Vererbbarkeit von Urlaubsabgeltungsansprüchen

Der Europäische Gerichtshof hat sich bereits zwei Mal mit den Urlaubsansprüchen verstorbener Arbeitnehmer beschäftigt.

In Deutschland galt jahrzehntelang: Wenn ein Arbeitnehmer stirbt, verliert er seinen Urlaubsanspruch. Denn der Sinn und Zweck eines Urlaubsanspruches ist die Erholung von der Arbeit. Allerdings gab es immer wieder Fälle, dass Arbeitnehmer noch eine ganz erhebliche Anzahl von Resturlaub hatten. Wird das Arbeitsverhältnis beendet, ohne dass der Resturlaub noch gewährt werden kann, z.B. bei Kündigung, sieht das Bundesurlaubsgesetz die Abgeltung des Urlaubsanspruches vor, also eine Auszahlung in Geld. Hier stellt sich auch für Hinterbliebene die Frage, ob sie sich den Urlaubsanspruch des Verstorbenen auszahlen lassen können. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestand für Erben kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung.

2014 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg diese Rechtsprechung geändert. Er entschied, dass ein Arbeitnehmer auch nach seinem Tod noch Anspruch auf Jahresurlaub hat. Seine Erben konnten daher einen finanziellen Ausgleich für Urlaub verlangen, den der Arbeitnehmer vor seinem Tod nicht mehr nehmen konnte. Nationale Gesetze oder Rechtsprechung, wonach der "Urlaubsanspruch untergeht", wenn der Arbeitnehmer stirbt, sind mit EU-Recht nicht vereinbar und damit nicht mehr anzuwenden.

Der EuGH betonte damals in seinem Urteil, der Anspruch auf bezahlten Urlaub sei ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts. Auch wer wegen einer Krankheit keinen Urlaub nehmen könne, habe ein Recht auf einen finanziellen Ausgleich, quasi in Person seiner Erben über den Tod hinaus.

Das Bundesarbeitsgericht hat aktuell nochmals den EuGH zu der Frage des Anspruchs auf finanziellen Ausgleich für den Urlaubsanspruch seitens der Erben befragt. Nach deutschem Recht seien Urlaubsansprüche nicht Teil der Erbmasse, so das Bundesarbeitsgericht. Auch aus dem Blickwinkel des Erbrechts hat der EuGH an seiner Rechtsprechung festgehalten und erklärt, der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung kann im Wege der Erbfolge auf seine Erben übergehen (EuGH, Az. C-569/16). Soweit das deutsche Recht das nicht vorsieht, kann der Erbe sich auf seinen Anspruch nach europäischem Unionsrecht berufen.

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Rechtsanwältin Eva Meyer

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Herausgabe privater Handynummern an den Arbeitgeber?

Immer mehr Arbeitgeber fordern von ihren Arbeitnehmern die Angabe privater Handynummern, um sie erreichen zu können. Arbeitnehmer stellen sich dann oft die Frage, ob Sie ihrem Arbeitgeber die Angabe der Nummer verweigern dürfen oder bei der Nichtherausgabe mit einer Abmahnung rechnen müssen.

In der Rechtsprechung gesichert ist, dass der Arbeitnehmer im Rahmen eines bezahlten Bereitschaftsdienstes auch entsprechend erreichbar sein muss. In nun vom Thüringer Landesarbeitsgericht entschiedenen Fällen stellte sich aber die Frage, ob der Arbeitnehmer auch außerhalb des eigentlichen Bereitschaftsdienstes seine private Mobilfunknummer herausgeben muss.

Das Thüringer Landesarbeitsgericht hat dies mit Urteil vom 16.05.2018 (Aktenzeichen 6 Sa 442/17 und 444/17) verneint. Ein kommunaler Arbeitgeber hatte im Rahmen eines Notdienstes sein System der Rufbereitschaft geändert. In diesem Zusammenhang hatte er von den Arbeitnehmern die Bekanntgabe ihrer privaten Mobilfunknummer verlangt, um sie außerhalb des Bereitschaftsdienstes im Notfall erreichen zu können. Bisher hatten die Mitarbeiter nur ihre private Festnetznummer angegeben. Weil die Arbeitnehmer die Herausgabe der Handynummer verweigerten, erteilte der Arbeitgeber Abmahnungen, die Gegenstand der Klageverfahren waren.

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Mindestlohn und Sonderzahlungen

Auf seiner Lohnabrechnung sieht der Arbeitnehmer den Grundlohn. Hinzu kommen aber oft weitere Lohnbestandteile, die entweder monatlich, quartalsweise oder jährlich ausgezahlt werden (z.B. Weihnachtsgeld, Zulagen, Anwesenheitsprämien).

Seit das Mindestlohngesetz gilt, hat der Arbeitgeber den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 8,84 EUR brutto pro Arbeitsstunde zu zahlen. Die Berechnung des Mindestlohns ist jedoch nicht immer einfach, denn entscheidend ist nicht nur der Grundlohn, sondern weitere Zahlungen können bei der Berechnung des Mindestlohns relevant sein.

Die Rechtsprechung tendiert momentan dazu, prinzipiell alle Sonderzahlungen bei der Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen, sofern sie Arbeitsleistung vergüten. Ausgenommen sind Sonderzahlungen, die einmalig gezahlt werden (z.B. Jubiläumsgeld), ohne Arbeitsleistung zu vergüten, oder die gesetzlich besonders geregelt sind (z.B. Zuschläge für Nachtarbeit, für Sonn- und Feiertagsarbeit, Schmutzzulage, Überstundenvergütung).

In mehreren Urteilen betont das Bundesarbeitsgericht, dass der Ar­beit­ge­ber alle Leis­tun­gen auf den Mindestlohn an­rech­nen darf, mit de­nen die Ar­beits­leis­tung des Ar­beit­neh­mers be­zahlt wer­den soll und die oh­ne Vor­be­halt und endgültig gewährt wer­den. Das können – aber nur bei entsprechender Vereinbarung im Arbeitsvertrag – z.B. sein: Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder Prämien. Voraussetzung ist, dass diese Leistungen vereinbarungsgemäß anteilig ausgezahlt werden, also zu 1/12 pro Monat.

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Az. 5 Sa 298/15, Urt. v. 22.11.2016) hat entschieden, dass Anwesenheitsprämien, die bei Krankheitstagen gekürzt werden, eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeit darstellen und damit beim monatlicher Ausbezahlung auf den Mindestlohn anrechenbar sind.

Das Bundesarbeitsgericht (Az. 5 AZR 621/16, Urt. v. 11.10.2017) hat das kürzlich bestätigt. Im dort entschiedenen Fall war im Arbeitsvertrag einer Minijobberin geregelt, dass die Vergütung in Höhe des Mindestlohns gezahlt wird. Wenn der Mindestlohn sich erhöht, sollte sich gemäß Vereinbarung automatisch auch der Bruttolohn entsprechend erhöhen. Der Arbeitgeber zahlte weiter Anwesenheitsprämien aufgrund einer Betriebsvereinbarung, wonach eine monatliche und eine quartalsweise Prämie anfielen, wenn keine Krankheitstage vorhanden waren. Die monatliche Prämie wurde bei der Klägerin in der Abrechnung ausgewiesen, der Arbeitgeber verrechnete sie aber auf den Mindestlohn und zahlte nicht aus. Die Arbeitnehmerin klagte auf Zahlung der Prämien und bekam vom Bundesarbeitsgericht Recht. Die Anrechnung von Prämien auf den Mindestlohn ist laut Urteil möglich, wenn der vertraglich vereinbarte Stundenlohn zur Erfüllung des Mindestlohnanspruchs nicht ausreicht. Wenn der im Arbeitsvertrag enthaltene Grundlohn aber den Mindestlohn darstellt, ist die Verrechnung von Sonderzahlungen nicht möglich. Sie sind dann zusätzlich auszuzahlen. Der Arbeitgeber könnte nur dann eine Verrechnung erreichen, wenn er dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag oder in der Betriebsvereinbarung regelt.

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